Hip, Hipper, Happy Hippo

überall
So süß waren die 90er

Wie oft musste man sich das Geschwätz der älteren Herrschaften anhören als man selbst noch jung, rebellisch und ahnungslos auf seinem Center Shock rumgekaut hat: Die Jugend von heute! Eine ganz andere Frage, die sich mir heute stellt, wenn ich durch die Süßigkeitenregale im Supermarkt schlendere ist eine ganz andere: Was zum Teufel ist nur aus unser Schokolade geworden??

Die gute Nachricht: Auch als Erwachsener ist es noch legitim Kinder-Schokolade zu essen. Und auch die altbewährten Kinderriegel gibt es noch in zweifacher Ausführung. Die kleinen mit der allseits bekannten Grinsebacke auf der Verpackung und für die Großen dann eben die größeren Riegel, ganz unökologisch Doppelt in Plastik verpackt. Neben den anderen Leckereien des Kinder-Sortiments, wie Kinder-Country, Kinder-Maxiking, Kinder Bueno und (ganz wichtig!) dem Kinder Überraschungsei, ist einer unser Kindheitsfreunde verschwunden: Der Kinder Happy Hippo Snack!!! Aus einem unerklärlichen Grund kam irgendein Superhirn auf die Idee, den mit Haselnusscreme gefüllten Schokohippo, durch den Happy Hippo Cacao zu ersetzen. Bis heute hat so keiner richtig verstanden, welches Konzept hinter diesem merkwürdig dreinschauendem Baiser-Waffel-Tierchen steckt. Schaut es nicht gar selbst so, als wüsste es nicht so recht wohin mit sich?

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Leider ist der Happy Hippo Snack nicht der einzig zu verzeichnende Verlust. Auch im Kühlregal hat sich so einiges verändert. Zugegeben, der Kinder Professor Rino ist schon ein netter Trost, wenn auch kein ebenbürtiger Ersatz für den Happy Hippo, dennoch sind auch hier ein paar Dinge verschütt gegangen. Wo zum Beispiel ist der Frufoo von Onken abgeblieben? Ja genau, der UFO-förmige Erdbeerquark mit der tollen Spielzeugüberraschung in der Mitte. War der Bedarf gesättigt, als jedes Kind die Frufos-Family bereits in mehrfacher Ausführung hatte, oder war das miserable Marketing, das den Figuren Namen wie „Bananosaurus Rex“ und „Frucschrauber“ gab, schuld? Wenigstens die kleinen Schokoufos mit Quarkfüllung hätten sie uns doch lassen können. Die waren in Wirklichkeit doch eh viel geiler (wegen der Schokolade natürlich).

Ein weiterer treuer Weggefährte, der uns 90er-Kids genommen wurde, ist die deutsche Version der „Lunchables“-Lunchbox von Kraft. Die kleinen Weizencracker, mit den perfekt zugeschnittenen Wurst- und Käsescheibchen waren zwar nicht die billigste Alternative, ersparte der einen oder anderen Mutter aber das lästige Broteschmieren am Morgen. Meine Mutter hielt es hingegen für eine bessere Idee der Arbeit mit einer günstigeren Version zu entkommen. So fand ich dann eines Morgens lose TUC-Cracker mit selbstgeschnittenen Scheiben Kochwurst und Schablettenkäse in meiner Brotdose vor. Meine Mutter sah es verständlicherweise nicht ein, fünf Mal die Woche, einen unverschämten Betrag für eine im Grunde viel zu kleine Lunchbox auszugeben, nur damit ihre Tochter mit ihrer tollen Lunchable-Box aus der Werbung angeben konnte. Zwischen Sailor Moon und den Kickers wurde der (natürlich aus den USA stammende) Pausensnack nämlich angepriesen, wie kaum ein anderes Produkt. Aber scheinbar ist auch ein erfolgreiches Marketing nicht alles. Das zeigt auch das durchaus tragische YES-Törtchen-Beispiel. Nach dem Motto „Kleine Torte, statt vieler Worte“ brannte sich das Bild des kleinen Yes-Törtchens mit einer leuchtenden Kerze in der Mitte in wahrscheinliches jedes Kinderhirn der Republik ein. Trotz des unumstrittenen Wiedererkennungswerts war der kleine Kuchen 2003 gänzlich vom Markt verschwunden. Der Skandalkonzern Nestlé bewies zur Abwechslung Herz und nahm das Yes-Torty 2011 wieder ins Sortiment auf. Leider kein Comeback haben bis heute die Montelinos von Milka gefeiert. Seit Jahren warte ich auf eine Wiederbegegnung mit den kleinen Schokoladenbergen, die mit ihrem Gipfelchen aus weißer Schokolade nicht nur zuckersüß aussahen, sondern auch so schmeckten. Dagegen scheint es verständlicher, dass es die Wasa Schoko Wikinger nicht geschafft haben sich dauerhaft im Supermarktregal zu etablieren. Die Kombi aus Schokolade und Knäckebrot hat doch nie einer so wirklich einer verstanden. Nicht umsonst schmiert man sich sein Nutella doch lieber auf’s fluffige Weiß- oder Mischbrot.

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Ja, wenn man so überlegt könnte man stundenlang in Nostalgie dieser süßen Kindheitserinnerungen schwelgen. Doch auch wenn wir 90er-Kinder den Kinder Happy Hippo Snack vermissen, so müssen wir uns eingestehen, dass auch ein originaler, aus drei Kammern bestehender Schokoladenhippo (und sei die Haselnusscreme darin noch so cremig) wahrscheinlich nicht mehr so schmecken würde, wie er es damals getan hat. Andernfalls würden wir den Spinat, den wir damals mit großem Geschrei abgelehnt haben, doch heute auch nicht essen. Und so lange Duplo „die wohl längste Praline der Welt“ bleibt, man „Freunden weiterhin ein Küsschen gibt“ und auch die Lila Pause sich an der einen oder anderen Tankstelle blicken lässt, bleibt mit Sicherheit auch das Kind in uns erhalten.

Stille Post

Naher Norden

Wie die Dorfies den Slang nach Hamburch brachten.

Als in der Kleinstadt groß gewordenes Landei muss man sich von seinem in Hamburch aufgewachsenem Großstadtfreund schon die eine oder andere Stichelei gefallen lassen. Abgesehen von einer bemerkenswerten Trinkfestigkeit, die einem auf dem Lande quasi in die Wiege gelegt wird, unterscheiden wir Dorfis uns scheinbar auch was unser Vokabular angeht von den Großstadtkindern. So ist es für einen Hamburger Jung wie meinen Freund quasi unmöglich zu einer Karotte Wurzel zu sagen. Natürlich sind mir Begriffe wie Karotte, Möhre und Mohrrübe geläufig, trotzdem wurde bei mir zu Hause stets Wurzel zu dem orangen, gesunden Ding gesagt. Nach regelmäßigen Diskussionen über Begrifflichkeiten und Redewendungen, von denen mein Freund der festen Überzeugung ist, dass ich sie frei erfunden hätte, trieb unser gemeinsamer Kurztrip nach Tallinn den kleinen Sprachkonflikt auf die Spitze.

Wir spazieren mit zwei Freunden durch die altertümliche Innenstadt von Tallinn (für alle, die es nicht wissen: Tallinn ist die Hauptstadt von Estland), als uns ein ziemlich verdroschen aussehender Kerl mit blau verfärbtem Augenlid entgegen kommt. „Na der hat aber ordentlich auf die Fresse gekriegt. Oder er hat sich so richtig abgepackt“, kommentiere ich sein unübersehbares Veilchen. „Was hast du gesagt?“, erwidert mein Freund darauf. Ich wiederhole den eigentlich unerheblichen Satz, so wie man es eben tut, wenn sein Gegenüber etwas akustisch nicht verstanden hat. Geduldig wie ich ja nun mal bin, wiederhole ich es auch ein zweites Mal, als mein Freund mich darum bittet. Bei der dritten Nachfrage komme ich mir dann aber doch ein wenig verarscht vor. „Das mit dem auf die Fresse kriegen habe ich schon verstanden“, sagt er schließlich mit ernster Miene, „aber dem, was du danach gesagt hast, kann ich beim besten Willen nicht folgen.“ An seinem Gesichtsausdruck kann ich festmachen, dass mein lieber Freund mich diesmal nicht auf den Arm nehmen will – er hat mich tatsächlich nicht verstanden. „Abpacken? Was meinst du damit?“ „Naja, abpacken eben“, entgegne ich, „so wie abmaulen“. Spätestens mit diesem Verb habe ich ihn dann völlig verwirrt. Seine Mutmaßung: Ein Wort in diesem Zusammenhang existiere überhaupt nicht. Seines Erachtens nach könne man allerhöchstens sich hinpacken sagen. „Abpacken kannst du ein Paket“, lacht er mich aus. Aber nach all den Seitenhieben, die ich aufgrund meiner ländlichen Wurzeln (ja, auch in diesem Zusammenhang kann man das Wort Wurzel benutzen), schon kassieren musste, will ich das diesmal nicht auf mir sitzen lassen! „Abbas! Lena!“, rufe ich die anderen Zwei, die uns voraus gegangen waren, ohne etwas von dem Gespräch mitbekommen zu haben. Siegessicher frage ich die Beiden nach der Bedeutung des Verbs sich abpacken. Doch zu meiner Überraschung ernte ich erneut ratlose Blicke und anschließendes Gelächter, als ich sie über die Bedeutung des Begriffs aufkläre. „So ist das nun mal mit euch auf’m Dorf. Das ist wie stille Post: In Hamburg entwickelt sich ein Slang und ihr benutzt dann das, was davon übrig bleibt“, flachst mich mein Freund. Sehr witzig! Ich verkneife mir einen dummen Spruch und erzähle daheim meinen treuen Kleinstadtfreunden davon. Auch hier erwartet mich Gelächter für die Story, wenigstens stoße ich diesmal auf allgemeines Verständnis. Schon merkwürdig, dass jeder einzelner Itzehoer, dem ich die Geschichte erzähle, sofort weiß was ich meine, während ein Hamburger mich nur anschaut, als würde ich Thai mit ihm sprechen. Sprachbarrieren existieren offenbar auch über Distanzen von gerade mal 60 km, denn so weit ist meine Heimatstadt Itzehoe vom schönen Hamburch entfernt. Das mit der stillen Post ist also gar nicht mal so abwegig. Und bei so vielen Menschen, die in der Großstadt leben, ist es auch ganz plausibel, dass da gewisse Wörter nicht richtig ankommen …

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Möhre, Karotte oder einfach nur Wurzel?

Die Bad Boys von Yogyakarta

Ferner Osten

Wie Javas Batikmafia ahnungslose Touristen für dumm verkauft.

Während unserer Reise quer über die indonesische Insel Java verschlug es uns natürlich auch in die Kulturhauptstadt Yogyakarta. Neben abenteuerlichen Rikschafahrten, atemberaubenden Tempelanlagen und traditionellen Tanzveranstaltungen, hat Javas kultureller Kern auch eine Vielfalt an Kunst zu bieten. Als wir in einem der kleinen Travelagencies unsere Weiterreise buchten, erzählte uns der außerordentlich nette Reiseberater von einer Kunstausstellung, die im Rahmen eines Hochschulprojektes stattfinden sollte. Nachdem wir seine Frage, ob wir (neben den Zigaretten, die er uns bereits angedreht hatte) an Weed interessiert wären, verneint hatten, ließen wir uns dazu breitschlagen wenigstens einen Blick auf die Bilder zu werfen …

Er lieferte uns vor einem schmalen Eingang inmitten der Touristenmeile ab. Sofort wurden wir herzlich empfangen. Erstaunlicherweise sprach Harry, wie sich unser privater Führer uns vorstellte, fließend Deutsch. Er erzählte uns von einem Studium in Deutschland, durch das er die Sprache erlernt hatte, und einer Ehe, die aufgrund seiner damaligen Heroinabhängigkeit gescheitert war. Beeindruckt und gleichzeitig erschüttert über die persönlichen Geschichten, die Harry von sich preisgab, rauchten wir eine indonesische Nelkenzigarette nach der nächsten, bis er uns schließlich in die Geheimnisse der Batikkunst einführte. Geblendet von all den schönen Formen und Farben, die Harrys Bilder-Repertoire zu bieten hatte, verließ uns jegliches Misstrauen. Als wir ihm erklärten, dass wir Studenten mit einem sehr begrenzten Reisebudget wären, ging er mit seinem anfänglichen Preis von 150 auf schlappe 30 Euro hinunter – Na wenn das mal kein Schnäppchen is! Glücklich über unsere frisch erworbenen – und ach so günstigen – Kunstwerke schmiedeten meine Freundin und ich bereits Pläne darüber, wo wir die Schmuckstücke in unserer Wohnung platzieren würden. In Gedanken an mein neues Batikbild schlief ich an diesem Abend zufrieden ein.

Am nächsten Morgen trafen wir auf Jay. Wir kamen ins Gespräch nachdem er unsere ratlosen Mienen vor einer der aufgestellten Stadtpläne gesehen hatte. „Und nehmt euch bloß vor der Batikmafia in Acht!“, sagte er, als wir uns grade auf den Weg zu Yogyakartas legendären Vogelmarkt machen wollten. „Batik WAS?“ Plötzlich klingelten alle Alarmglocken in meinem Kopf (gut zu wissen, dass sie noch existierten, nachdem sie am Vortag offensichtlich außer Betrieb gewesen waren). Yogyakartas Batikmafia locke gern ausländische Touristen in ihre Ausstellungsräume, in denen sie, angeblich von Studenten gemalte, Bilder verkauften, erklärte uns Jay. Bei den Kunstwerken handele es sich um Kopien. In der Herstellung koste ein Batikbild maximal zehn Euro. Dreißig Euro wären zweifelsohne zu viel! Nicht so recht im Klaren darüber, ob wir wütend über Harrys Scheinheiligkeit oder unsere eigene Dummheit sein sollten, gönnten wir uns vor lauter Frustration eine – äußerst unangenehme – Fuß-Reflexzonen-Massage. Doch trotz schmerzender Zehen ließ mir der Ärger über unsere Naivität keine Ruh.

Mit dem Ziel Harry und seine Crew zur Rede zu stellen, machten wir uns an jenem Abend schließlich nochmal auf den Weg zum Ausstellungsraum. Harrys Miene veränderte sich schlagartig als er uns wiedererkannte. Ohne weite Ausschweife bot er uns Tee und Zigaretten an, denn sein Kollege hatte bereits die nächsten Idioten im Schlepptau. Es war nicht die angenehmste Situation dort zu sitzen und einem erwachsenen, und dazu ja eigentlich wildfremden, Mann eine Standpauke über Moral und Ehrlichkeit zu halten. Dennoch sah man an Harrys Gesichtsausdruck, dass ihm das Ganze noch viel unangenehmer zu sein schien als uns. Er bot uns an die Bilder zurückzugeben oder uns jeweils ein Weiteres auszusuchen. Wir entschieden uns für die zweite Option und ja, ich muss zugeben, wir ließen uns bei der Wahl unserer Bilder ganz schön viel Zeit – obwohl wir diesmal nichts zahlen brauchten. Eine kleine Genugtuung war es schon, die Jungs der Batikmafia in einer solch demütigen Haltung zu sehen. Wir hielten dennoch unseren Mund und ließen uns vor der potentiellen Kundschaft nichts anmerken. Vielleicht muss man erst selbst die Erfahrung machen, um sich beim nächsten Mal nicht wiederholt die Blöße zu geben. Und seien wir mal ehrlich: Was sind dreißig Euro schon für zwei handgefertigte (wenn auch kopierte) Batikbilder? Die Geschichte dahinter ist zumindest unbezahlbar!

Diese Schmuckstücke zierenjetzt unsere WG

Unsere WG-Schmuckstücke: Vielleicht nicht einzigartig – dafür die Story dahinter!

Drei Tage grün

überall

Fasten wie ein Yogi

Es begann mit einer harmlosen Kundalini Yoga-Stunde im vergangenen Jahr. Während wir durch dynamische Drehungen unseres oberen Rumpfes versuchten all die bösen Giftstoffe aus unseren Organen zu vertreiben, erzählte die Lehrerin uns von der „grünen Diät“. Wahrscheinlich war die Aussage, dass man dabei so viel essen dürfe, wie man wolle, ausschlaggebend für unsere Euphorie, das Ganze mal selbst auszuprobieren. Das jegliche Nahrung, ob nun in Form von Essen oder Getränken, dabei grün sein muss, war für meine Freundin und mich zunächst zweitrangig. Unsere Gedanken spiegelten eher folgendes wider: Eine Diät bei der man so viel essen kann, wie man will? Wie geil ist das denn??

Eine Asienreise, einen Umzug und letztendlich ein Jahr später waren wir zumindest immer noch so begeistert von der Idee unseren Körper mithilfe der grünen Diät zu entgiften.Als ich mich im Internet über das genaue Vorgehen informierte, erfuhr ich eine Menge über die Farbe Grün, was grüne Nahrungsmittel alles so mit unserem Körper anstellen und dass die richtigen Cracks das Ganze bis zu 30 Tage am Stück durchziehen! Meine Freundin und ich waren uns einig, dass uns fürs Erste drei Tage ausreichen würden. Uns bei der Farbe von Lebensmitteln auf Grün zu beschränken erschien uns nicht weiter schlimm. Neben Götterspeise mit Waldmeistergeschmack und sauren Apfelringen gibt es nämlich auch eine Vielzahl an Gemüse und frischen Kräutern, die grünen Farbstoff enthalten! Das sogenannte Chlorophyll verleiht Salat & Co nicht nur seine Farbe, sondern ist vor allem super gesund für den menschlichen Organismus. Während es Pflanzen bei der Photosynthese hilft, unterstützt es den menschlichen Körper beim Aufbau neuer Blutzellen und bei der Reinigung von Giftstoffen. Um die Superfoods in ihrer vollen Funktion nutzen zu können muss bei der grünen Diät allerdings auch auf alle weiteren Zusatzstoffe verzichtet werden. Leider ist weder Salz noch Zucker grün, deshalb sind zum Würzen der Mahlzeiten lediglich Kräuter oder Limettensaft erlaubt. Meine Mitbewohnerin deckte uns bei ihrem nächsten Einkauf mit einem Haufen an Grünzeug ein: Salat, Avocados, Weintrauben, Birnen, Gurken, Brokkoli und lauter andere chlorophyllträchtiger Dinge eben. Nach einem letzten deftigen Essen am Vorabend wurde ich direkt am ersten Morgen unserer grünen Diät auf die Probe gestellt.

Grünster (LIDL) Einkauf aller Zeiten

Grünster (LIDL) Einkauf aller Zeiten

Nach einem Obstsalat bestehend aus Trauben, Birnen und grünen Äpfeln, sowie einer Kanne Brennnesseltee zum Frühstück, traf ich meinen Vater beim IKEA. Eigentlich wollte ich dort nur zwei Regale für mein Zimmer besorgen, der Magen meines Vaters hatte jedoch andere Pläne. Mein Vater hatte Hunger und wenn ein Thai Hunger hat, dann aber richtig! In der IKEA-Kantine ließ der Gute sich also nicht von meinen grünen Absichten stören und bestellte kurzerhand für zwei Personen. Dass ich davon nichts essen würde, störte ihn nicht weiter. Die zwei Steaks mit Kartoffelspalten, der große Salat mit Räucherlachs und Dilldressing und das Mousse au Chocolat verdrückte er problemlos allein. Ich musste mich derweil mit meiner Tasse grünen Tee zufrieden geben. Komischerweise verspürte ich eine ungewohnte Art von Befriedigung in mir als ich meinen Vater dabei zusah wie er, ganz nach thailändischer Art, das Steak nur so hinunterschlang. Der erwartete Futterneid blieb aus. Im Gegenteil: meine Willensstärke bezüglich unseres Vorhabens hatte sich nur noch mehr gesteigert und ich fühlte mich wie ein wahnsinnig guter Mensch, der seinem Gegenüber sein saftig medium gegrilltes Steak von Herzen gönnte ohne selbst davon zu essen. In völligem Einklang mit meiner Selbst gönnte ich mir daheim eine extragroße Portion ungesalzenen Brokkoli mit einer Prise gehackten Pistazien – selbstverständlich unbehandelt! Nach zwei Stunden machte sich dann erneuter Hunger breit, also setzten meine Freundin und ich uns noch einen Topf Rosenkohl auf. Während unsere Mitbewohnerin sich die grünen Bällchen mit Fleischbeilage und einer ordentlichen Portion Butter und Salz hineinschaufelte, durften wir immerhin die Erfahrung machen, den Rosenkohl in seinem völlig natürlichen Geschmack kennenzulernen. Die Bekanntschaft war rein geschmackstechnisch vielleicht nicht die erfreulichste, unsere Bäuche waren dennoch zufriedengestellt. Mit einer Kanne Brennnesseltee am Abend war der erste grüne Tag auch schon überstanden.

Die IKEA-Challenge

Die IKEA-Challenge

Tag Zwei startete wieder mit einem Liter Tee und grünem Obstsalat. Trotz deutlich geringerer Zufuhr von Kohlenhydraten, die bei meinen gewöhnlichen drei Scheiben Schwarzbrot am Morgen eigentlich mehr als reichlich gedeckt ist, konnte ich keine Leistungsminderung beim morgendlichen Joggen feststellen. Da ich auch am Tag zuvor wenig Kohlenhydrate zu mir genommen hatte, fühlte ich mich umso leichter und schwereloser als ich den Elbstrand entlanglief. Zum Mittag bereiteten meine Freundin und ich uns den wohl grünsten Salat aller Zeiten zu: Babyspinat, grüne Paprika, Avocado, Gurke und grüne Oliven. Dazu kochte ich uns eine Suppe aus pürierten Erbsen. Für die würzige Note gab ich etwas grüne Currypaste aus Thailand hinzu. Garniert wurde das Ganze dann mit Kürbiskernen. Bereits nach einem Tag ohne Salz oder andere Zusatzstoffe löste die angenehme Schärfe eine wahre Geschmacksexplosion unserer Sinne aus. Die Kürbiskerne entpuppten sich außerdem als geeignete Knabberei für Zwischendurch, sodass die Tüte nach jedem Gang in die Küche leerer wurde. Die erwarteten Stimmungsschwankungen und Zickereien blieben weiterhin aus. Zwar fehlte uns das Frühstücksei und die Scheibe Schwarzbrot am Morgen, unsere Körper fühlten sich aber bereits nach 1 ½ Tagen viel fitter und vitaler.

Grünster Salat aller Zeiten

Grünster Salat aller Zeiten

Am dritten Tag hatte ich mich bereits an die grüne Nahrung gewöhnt. Es war gar nicht mal so schlimm durch den Supermarkt mit all seinen vollgestopften Regalen und Genussmitteln im Überdruss zu laufen und ihn mit lediglich einer Avocado und zwei Kiwis zu verlassen. Im Gegenteil: ich fühlte mich ziemlich kool dabei. Natürlich ist man auf gewisse Weise stolz darauf ein Ziel diszipliniert zu verfolgen und dabei auf sein körperliches Wohlbefinden zu achten. Für mich persönlich war es dann aber doch eher der bewusste Umgang mit Nahrungsmitteln als solcher, der etwas in mir veränderte. Ich dachte an meine Zeit in Asien zurück in der uns so viele Menschen begegnet waren, die sich einen vollgestopften Supermarkt ganz nach dem Motto „Wir lieben Lebensmittel“ nicht mal erträumen würden. Wie käme ich also dazu mich über drei Tage grüne Ernährung zu beschweren, wo ich doch die volle Bandbreite an Auswahl hatte. Ein anderer Gedanke, der mir kam, waren die buddhistischen Weisheiten, mit denen ich mich während der Reise beschäftigt hatte. Das Ziel Buddhas war es die vollständige Erlösung aller menschlichen Qualen zu erreichen. Dazu zählte er vor allem die Überwindung des unersättlichen menschlichen Verlangens. So begeben sich Mönche beispielsweise freiwillig in die Situation des Verzichtens und scheinen mit sich selbst völlig im Reinen zu sein. Vor diesem Hintergrund erscheint es auf einmal lächerlich, wie schwerwiegend allein die Tatsache sein kann, dass die Lieblingssorte Chips beim Einkauf kurz vor Ladenschluss ausverkauft ist. Wir als Konsumenten verleiten die Industrie dazu unser unersättliches Verlangen zu stillen und treiben damit die grenzenlose Überproduktion von Lebensmitteln voran. Dass wir alle viel mehr essen, als wir wirklich bräuchten und vor allem als gesund für unseren Körper ist, wird völlig verdrängt. All diese Gedanken kamen mir während ich durch den akkurat gestalteten Supermarkt lief. Wahrscheinliche würde ich es nie schaffen ein Leben komplett ohne sündhaften Konsum gewisser Lebensmittel zu führen. Ganz bestimmt würde ich aber künftig noch mehr darauf achten, was und wie viel ich konsumiere. Nicht nur meiner eigenen Gesundheit wegen, sondern vor allem mit dem Wissen, dass es ein Privileg ist zwischen zwanzig Brotsorten auswählen zu können. Eine Tüte unbehandelter Rosinen verirrte sich dann trotzdem in meinen Einkaufskorb. Bevor sie schrumpelig wurden, waren sie immerhin auch grün.